12. April 1895, Hamburg/D – 26. April 1969, Hamburg/D
Persönlicher Werdegang:
Sohn eines Postassistenten; 1911 Obersekundareife; anschließend kaufmännische Lehre bei der Export-Agentur-Firma Arndt und Cohn; 1914 Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg; von 1918 bis 1920 Freikorps im Baltikum; 1920 verurteilt wegen Unterschlagung; von 1920 bis 1931 kaufmännischer Angestellter in der Firma Arndt und Cohn; nach 1945 Gründung der Import/Export Agentur Robert Mulka in Hamburg; im Spruchkammerverfahren zunächst verurteilt, anschließend in einem Revisionsverfahren als Entlasteter eingestuft.
Funktionen während des NS-Regimes:
Angehöriger des "Stahlhelm" seit 1928; Angehöriger des "Nationalverbands deutscher Offiziere" und dem "Deutschen Fichtebund"; Mitglied der NSDAP seit 1940 (Nr. 7848085); Angehöriger der Waffen-SS seit 1941; gehörte seit Februar 1942 zum SS-Wachsturmbann an; vom 1. Juli 1942 bis zum 30. März 1943 Adjutant des Lagerkommandanten Höß; von dort wegen einer abfälligen Äußerung über Joseph Goebbels von der Ehefrau des Leiters der Zentralbauleitung Hildegard Bischoff denunziert und festgenommen; später rehabilitiert und während der Bombenangriffe auf Hamburg eingesetzt; letzter Dienstgrad: SS-Obersturmführer.
Zur Zeit der Verhandlung:
68 Jahre, verheiratet, eine Tochter und zwei Söhne, selbständiger Kaufmann, Hamburg.
Untersuchungshaft von November 1960 bis März 1961, Mai bis Dezember 1961, Februar bis Oktober 1964, seit Dezember 1964.
Robert Mulka wurde wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu 14 Jahren verurteilt.
1968 wegen Haftunfähigkeit aus der Untersuchungshaft entlassen.
Portrait
Robert Mulka
(12. April 1895, Hamburg – 26. April 1969, Hamburg)
Der Hanseate Robert Mulka besuchte die Volks- und Realschule, machte 1911 das Einjährige (Obersekunda) und ließ sich bei einer Exportagentur zum Kaufmann ausbilden. Wie Tausende auch, zog er im August 1914 freiwillig in den Krieg gegen den Erbfeind, war neben Frankreich auch in Russland und der Türkei im Pioniereinsatz und brachte es im kaiserlichen Heer bis zum Leutnant der Reserve. Nicht genug vom Krieg, schloss er sich nach dem »Schmachfrieden« von Versailles der baltischen Landeswehr an und kämpfte im Baltikum gegen den Bolschewismus. Im Jahr 1920 in seine Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt und kurze Zeit als Angestellter einer Agenturfirma tätig, wurde der Kriegsveteran und Freikorpskämpfer wegen Hehlerei vor Gericht gestellt und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Ihm zum Vorwurf wurde gemacht, er habe zusammen mit anderen treuhänderisch überlassene Rubel unterschlagen.
Bis 1931 arbeitete Mulka als Angestellter in der Firma, in der er seine Ausbildung absolviert hatte und machte sich sodann selbstständig. Sein Import-Export-Unternehmen lastete ihn aber mitnichten aus. Nach einem Intermezzo von 1928–1934 beim »Stahlhelm«, wollte Mulka in der neu erstarkten Reichswehr reüssieren. Er leistete mehrere Reserveübungen ab und wurde 1935 zum Oberleutnant d. R. befördert. Als aber seine wohlweislich verschwiegene Vorstrafe ruchbar wurde, entließ ihn die Wehrmacht aus ihren Reihen. Alle Bemühungen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Offizier wieder Aufnahme in Hitlers Armee zu finden, scheiterten.
Nicht bereit, als gemeiner Soldat von vorn anzufangen und sich hochzudienen, bewarb sich Mulka 1941 bei der Waffen-SS. Hier fand er, der bereits Mitte September 1939 einen Beitrittsantrag in die NSDAP gestellt hatte, Aufnahme und erhielt sogleich, seinem Wehrmachtsdienstgrad entsprechend, den Rang eines SS-Obersturmführers. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Kompanieführer einer Pioniereinheit wurde Mulka, wegen Krankheit nur als garnisonsverwendungsfähig Heimat eingestuft, Anfang 1942 nach Auschwitz kommandiert und führte dort eine Wachkompanie. Wenige Wochen später machte Lagerkommandant Rudolf Höß, dessen Adjutant erkrankt war, Mulka vertretungsweise zu seinem Adjutanten.
Als Adjutant und als »Stabsführer« des sogenannten Kommandanturstabes blieb Mulka bis März 1943 die zweite Hand von Höß und hatte, wie das Frankfurter Schwurgericht feststellte, maßgeblichen Anteil an der Mitte 1942 beginnenden Umwandlung des Konzentrationslagers Auschwitz in ein Vernichtungslager. In Mulkas Dienstzeit fallen Planung und Bau der vier Krematorien in Birkenau ebenso wie der Beginn der systematischen und regelmäßigen Selektion der nach Auschwitz deportierten Juden auf der sogenannten Alten Rampe oder Judenrampe, am Güterbahnhof von Auschwitz gelegen. Eine Denunziation beendete Mulkas steile Karriere, inzwischen zum SS-Hauptsturmführer befördert, in Auschwitz. Die Ehefrau des Leiters der Zentralbauleitung der Waffen-SS in Auschwitz, die Gattin des Baumeisters der Gaskammern und Krematorien, sagte Mulka eine abfällige Äußerung über Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nach. Der KZ-Adjutant wurde kurze Zeit inhaftiert, das eingeleitete Verfahren sodann eingestellt. Mitte 1943 war Mulka wieder in der Hansestadt, stellte sich dem Höheren SS- und Polizeiführer »Nordsee« zur Verfügung und kam Anfang 1944 zu einer SS-Pionierschule in der Nähe von Prag.
Anfang 1945 wurde er wegen Krankheit nach Hamburg beurlaubt und erlebte in seiner Heimatstadt das Ende des Krieges. Wegen seiner Zugehörigkeit zur SS verhaftet, war Mulka bis Frühjahr 1948 interniert. Das Entnazifizierungsverfahren vor einer Spruchkammer überstand er glimpflich. Zunächst zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde er späterhin als Entlasteter eingestuft und gelangte in Freiheit. Mulka machte sich wieder selbständig und erwarb als Import-Export-Kaufmann Wohlstand.
Der sportliche Erfolg seines Sohnes Rolf bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom wurde Mulka zum Verhängnis. Die Zeitungen schrieben von dem Segler und Silbermedaillengewinner Mulka. Einem der Frankfurter Staatsanwälte, seit Mitte 1959 in Sachen Auschwitz intensiv tätig, stieß der seltene Name auf. Er ermittelte den Vater des Olympioniken und verhaftete ihn im November 1960. Dem Untersuchungshäftling Mulka gelang es immer wieder, durch Kautionsstellung der Untersuchungshaft zu entgehen. Zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt, erhielt Mulka noch vor Rechtskraft des Urteils im Jahre 1968 Haftverschonung. Einen Selbstmordversuch überlebte der Untersuchungsgefangene in der Strafanstalt Kassel. 1969 verstarb Mulka in Hamburg.