24. März 1919, Cernauti/RUM – 21. Juni 1988, Bad Nauheim
Persönlicher Werdegang:
Sohn eines Telefonmechanikers; Besuch der Volksschule in Cernauti; Ausbildung zum Nagelrichter und Strumpfwirker; Arbeit bis Kriegsbeginn als Maschinenführer; nach 1945 drei Monate in sowjetischer Kriegsgefangenschaft; anschließend Arbeit in der Kohlen- und Bimsbranche.
Funktionen während des NS-Regimes:
Als Volksdeutscher aus Rumänien 1942 zur Waffen-SS gezogen und nach Auschwitz kommandiert; zunächst in der SS-Wachmannschaft, später in der Abteilung Schutzhaftlagerführung (Abt. III) alsBlockführer und Kommandoführer des Arbeitskommando "Kanada" in Auschwitz-Birkenau tätig; Angehöriger der SS-Mannschaft im KZ Auschwitz von 1942 bis zur Evakuierung; letzter Dienstgrad: SS-Rottenführer.
Zur Zeit der Verhandlung:
44 Jahre, ledig.
Untersuchungshaft seit April 1960, Selbstmord in Strafhaft 1988.
Stefan Baretzki wurde wegen Mordes in fünf Fällen und gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu lebenslangem und acht Jahren Zuchthaus verurteilt.
Portrait
Stefan Baretzki
(24. März 1919, Czernowitz – 21. Juni 1988, Bad Nauheim)
In der Hauptstadt der Bukowina, in Cernowitz, kam Baretzki 1919 auf die Welt. Der Sohn eines Telefonmechanikers erlernte nach dem Besuch der sechsjährigen Volksschule das Handwerk eines Nagelrichters und Strumpfwirkers und arbeitete nach seiner Berufsausbildung in einer Czernowitzer Strumpffabrik. 1940 wurde der Volksdeutsche Baretzki zusammen mit seiner Schwester umgesiedelt, heim ins Reich geholt. Arbeit fand er bei einer Speditionsfirma in Schlesien. Anfang 1942 – wie viele junge Volksdeutsche – zur Waffen-SS eingezogen kam Baretzki nach Auschwitz und fand im Vernichtungslager Birkenau Verwendung als Blockführer. Im Dienstgrad blieb er in der SS-Rangskala ganz unten, er brachte es in Auschwitz nur bis zum SS-Sturmmann.
Im Januar 1945 gelangte Baretzki mit einem Häftlingstransport nach Dachau, wurde zur SS-Division »30. Januar« eingezogen und geriet nach einem Kampfeinsatz östlich von Berlin im Mai 1945 in sowjetische Gefangenschaft. Bereits im Sommer 1945 wurde er entlassen. Er schloss sich einem Kameraden an und ging nach Plaidt am Rande der Eifel, wo er Anstellung als Arbeiter bei Firmen der Kohlen- und Bimsbranche fand. Der Zufall wollte es, dass Baretzki als Todesschütze in den Dokumenten aufgeführt war, die im Januar 1959 dem hessischen Generalstaatsanwalt zugesandt worden waren. So kam der einfache SS-Mann auf die Liste von Auschwitzer SS-Personal, gegen das die Frankfurter Anklagebehörde ein Verfahren einleitete. Noch über ein Jahr dauerte es, bis er von den Strafverfolgern ermittelt werden konnte. Im April 1960 wurde der Haftbefehl gegen Baretzki vollstreckt.
Unter den SS-Angehörigen, die sich in Frankfurt am Main zu verantworten hatten, gehörte Baretzki zu den wenigen, die über das Vernichtungsgeschehen in Auschwitz Angaben machten und auch nicht davor zurückschreckten, Mitangeklagte zu belasten. Der kleine Mann, ohne sein Zutun in die Mordmaschinerie geraten, konnte sich während des Prozesses angesichts der wahrheitswidrigen Einlassungen der einstigen ranghohen SS-Führer darüber empören, dass seine vormaligen Vorgesetzten jegliche Mitwirkung am Mordgeschäft feige bestritten. Baretzki, zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, beging 1988 Selbstmord.