20. Juli 1907, Königshütte/D
Persönlicher Werdegang:
Sohn eines Seilwärters; nach der Volksschule in einer Kohlengrube tätig; anschließend kaufmännische Lehre und Besuch der kaufmännischen Abendschule; 1927/28 und zu Beginn des Krieges in der polnischen Armee, nach der deutschen Kriegsgefangenschaft als Buchhalter in einer Ziegelei beschäftigt; nach 1945 Rückkehr nach Chorzów (Königshütte); seit 1947 als Gastwirt, später als Buchhalter in einem Lebensmittelgeschäft tätig.
Funktionen während des NS-Regimes:
am 15. April 1940 von der Gestapo wegen der Mitgliedschaft zu einer polnischen Widerstandsbewegung beschuldigt und verhaftet; als Häftling im KZ Auschwitz vom 7. Juli 1940 bis zur Evakuierung;
Häftlingsnummer 1.325; zunächst als Stubendienst, anschließend als Blockschreiber eingesetzt; zuletzt Blockältester der Strafkompanie.
Zur Zeit der Verhandlung:
56 Jahre, verheiratet, zwei Kinder.
Untersuchungshaft seit November 1960. Emil Bednarek wurde wegen Mordes in 14 Fällen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Nach einer Gnadenentscheidung im Mai 1975 wurde die Strafe auf 20 Jahre reduziert. Bednarek wurde am 1. Dezember 1975 aus der Strafhaft entlassen.
Portrait
Emil Bednarek
(20. Juli 1907, Königshütte/Oberschlesien – 27. Februar 2001, Waldsassen/Oberpfalz)
In der oberschlesischen Bergbauregion ist Emil Bednarek zur Welt gekommen. Nach der Volkschule machte er eine kaufmännische Lehre und besuchte eine Abendschule in seiner Geburtsstadt. Der Versuch, nicht wie der Vater den schweren Beruf des Bergmanns ausüben zu müssen, schlug fehl. Auch Bednarek förderte Kohle bis zum Jahr 1927, als er in die Armee Polens gezogen wurde. Nach seinem zweijährigen Militärdienst in die Arbeitslosigkeit entlassen, fand er erst 1931 eine Arbeit als kaufmännischer Angestellter bei einer Bergwerksgesellschaft. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde Bednarek zur polnischen Armee einberufen, desertierte aber und lief zu den deutschen Eroberern über. Nach nur dreitägiger deutscher Gefangenschaft entlassen, arbeitete er als kaufmännischer Angestellter in einer oberschlesischen Ziegelei. Die Besatzer verdächtigten Bednarek, einer polnischen Widerstandorganisation anzugehören, verhafteten ihn im Zuge einer Großrazzia im April 1940 und verbrachten ihn nach einem kurzen Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis seiner Heimatstadt als politischen Häftling nach Auschwitz.
Bedanrek wurde als Häftling Nr. 1325 registriert. Im Oktober 1940 machte die SS Bednarek zum Funktionshäftling, setzte ihn als Blockältesten zuerst im Stammlager und später in Birkenau, unter anderem im sogenannten Männerlager (BIId) ein. In diesem Birkenauer Lagerabschnitt war auch die Strafkompanie untergebracht und Bednarek wurde deren Blockältester. Im Zuge der Evakuierung von Auschwitz gelangte er im Januar 1945 nach Mauthausen, wo er von amerikanischen Truppen befreit wurde.
Nach einem kurzen Aufenthalt in seiner Heimatstadt Königshütte begab er sich ins fränkische Schirnding, am östlichen Rand des Fichtelgebirges gelegen, und eröffnete dort eine Bahnhofsgaststätte. Wirtschaftlich erfolgreich betrieb er neben dem Gasthof noch einen Kiosk, den er später zu einem Lebensmittelgeschäft ausbaute. Der Grenzort Schirnding liegt an einer zentralen Bahnlinie in Richtung Schlesien. Zwei von der Frankfurter Staatsanwaltschaft zur Vernehmung geladene polnische Auschwitz-Überlebende erkannten auf der Rückfahrt nach Polen den vormaligen Funktionshäftling am Bahnhof Schirnding. Sie informierten einen früheren Mithäftling, von dem sie wussten, dass er auch nach Frankfurt/M. geladen worden war und baten ihn, ihre im Grenzbahnhof Schirnding gemachte Beobachtung zu prüfen. Auch der dritte Zeuge identifizierte Bednarek. Von den Auschwitz-Überlebenden unterrichtet und von den Tatvorwürfen gegen Bednarek in Kenntnis gesetzt, beantragte die Frankfurter Strafverfolgungsbehörde einen Haftbefehl gegen Bednarek, den sie Ende November 1960 im Beisein zweier polnischer Zeugen in Schirnding vollstreckte.
Zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, saß Bednarek bis 1975 in Strafhaft. Einem Gnadengesuch aus dem Jahr 1974, das auch ein früherer Ankläger (Joachim Kügler) befürwortete, gab der Justizminister Hessens statt. Das Nazi-Opfer, das durch die SS und das Lager zum mordenden Täter wurde, war bei der Schuldfrage »mit anderem Maß« (Kügler) zu messen.