25. April 1921, Rio de Janeiro/BRA – Februar 1994, Kaarst/D
Persönlicher Werdegang:
Sohn eines brasilianischen Kaufmanns; Jugend in Freiburg und später in Berlin; Besuch der Volksschule und des Realgymnasiums in Berlin bis zur Reifeprüfung 1940; anschließend Studium an der Technischen Hochschule Berlin; nach 1945 in britischer Kriegsgefangenschaft damit beauftragt, über die Lagerereignisse zu berichten und für die britische Einheit gegen SS-Angehörige zu ermitteln; 1947 aus britischer Haft entlassen und als kaufmännischer Angestellter tätig.
Funktionen während des NS-Regimes:
seit 1931 in der Hitler-Jugend; Angehöriger der SS seit Ende 1941; ab Januar 1942 in der SS-Division "Nord"; seit April 1942 zunächst in der SS-Wachmannschaft; später in der Politischen Abteilung (Abt. II), Referat Ermittlungen und Vernehmungen im KZ Auschwitz; Angehöriger der SS-Mannschaft von April 1942 mit Unterbrechungen bis zur Evakuierung des Lagers; letzter Dienstgrad: SS-Rottenführer.
Zur Zeit der Verhandlung:
42 Jahre, verheiratet.
Untersuchungshaft von April 1959 bis Dezember 1960, November 1964 bis Februar 1966.
Pery Broad wurde wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt. Februar 1966 aus der Untersuchungshaft entlassen.
Portrait
Pery Broad
(25. April 1921, Rio de Janeiro – 28. November 1993, Düsseldorf)
Broad, gebürtiger Brasilianer, kam mit der Mutter als Kleinkind nach Deutschland. Der brasilianische Vater blieb in seinem Heimatland zurück. Zur Schule ging Broad in Berlin und machte 1940 in der Reichshauptstadt sein Abitur. Schon als Zehnjähriger schloss er sich der Hitler-Jugend an. Anfang 1942 meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS und kam nach einer militärischen Ausbildung für kurze Zeit an die Front. Wegen Kurzsichtigkeit für den Kriegseinsatz als untauglich erachtet wurde er im April 1942 zum Konzentrationslager Auschwitz versetzt. Wie meist bei Neuankömmlingen üblich, teilte man ihn zunächst einer Wachkompanie zu. Auf eigenen Wunsch versetzte ihn die SS im Sommer 1942 in die Politische Abteilung. Dort blieb er bis zur Auflösung des Lagers im Januar 1945 im Dienst. Eine zweimonatige Dienstzeit im KZ Mittelbau-Dora, Bewachungsaufgaben bei Evakuierungsmärschen von KZ-Häftlingen gegen Ende des Krieges und ein kurzer Fronteinsatz waren Broads weitere Stationen.
Im Mai 1945 geriet er in britische Gefangenschaft, bekannte sich im Auffanglager Gorleben (Wendland) britischen Stellen gegenüber als vormaliger Angehöriger der Auschwitzer Lager-SS und stellte sich als Informant zur Verfügung. Von den übrigen Gefangenen separiert und mit Schreibutensilien versorgt, schrieb Broad einen Bericht über Auschwitz und machte ausführliche Angaben zum SS-Personal. Zum Konfidenten der britischen Armee geworden, genoss er bevorzugte Behandlung. Der »Verräter« war nicht mehr mit den deutschen Internierten zusammen untergebracht. Nicht nur den Auschwitz-Bericht schrieb Broad nieder, er machte auch gegenüber britischen Ermittlern ergiebige Angaben über Auschwitz und seine Täter. Die gewonnenen Erkenntnisse fanden in den britischen Bergen-Belsen-Prozessen, in denen auch vormaliges Auschwitzer SS-Personal vor Gericht stand, Verwendung.
1947 wurde Broad von den Briten entlassen, arbeitete als kaufmännischer Angestellter in einem Sägewerk in Munsterlager und sodann bis zu seiner Inhaftierung im April 1959 in Braunschweig. Am Vortag vor Heilig Abend 1960 kam Broad aus der U-Haft frei, erst Anfang November 1964 wurde er, nachdem die Frankfurter Staatsanwaltschaft Nachtragsanklage beantragt hatte, erneut in Untersuchungshaft genommen. Seine Strafe von vier Jahren Zuchthaus hatte Broad bereits im Februar 1966 zu Zweidritteln verbüßt, so dass er wenige Monate nach dem Ende des Prozesses auf freien Fuß gesetzt wurde.