Imrich Gönczi, 1925 in Nitra/Tschechoslowakei geboren, wurde im Juni 1942 nach Auschwitz deportiert und als Häftling Nummer 44.035 registriert. Gönczi arbeitete hauptsächlich als Pfleger im Krankenbau des Lagers, sein unmittelbarer Vorgesetzter auf der Seite der SS war der Angeklagte Josef Klehr, der als sogenannter Sanitätsdienstgrad im Häftlingskrankenbau tätig war. Bevor Gönczi Pfleger wurde, war er im Nebenlager Buna/Monowitz beim Bau der Werke der I.G. Farbenindustrie AG eingesetzt.
Zur Zeit seiner Aussage im Juni 1964 war der Zeuge Imrich Gönczi 39 Jahre alt, von Beruf Zahnarzt und lebte in Teplice/Tschechoslowakei.
Hörbeispiel:
Auf diesem Kommando habe ich mit meinem Vater gearbeitet. Eines Tages auf diesem Arbeitsplatz ist zu ihm ein SS-Mann gekommen, den ich nicht mit Namen kenne, es war ein Posten, hat die Mütze meines Vaters weggenommen und weggeschmissen hat. Und wie mein Vater sich die Mütze holen wollte, hat er ihn erschossen. Das war mein erster Eindruck auf Auschwitz. Wenn ich zu diesem SS-Mann kam – ich war sehr jung noch, ich war 17, denke ich, 17 Jahre alt ... ich dachte damals, dass mein Leben schon keinen Wert hat, weiter ohne meinen Vater zu leben – ich sprang zu ihm, und er hat mich geschlagen und hat er geschrien: „Dich schieße ich nicht! Schade um die Kugel, du krepierst sowieso!“ Und zur Strafe musste ich dann abends nach der Arbeitsschicht mit meinen Kameraden meinen Vater von diesem Platz auf dem Rücken zurück ins Lager tragen. Ich musste ihn auch aufheben von dem Platz, wo er erschossen wurde. Und noch warmes Blut habe ich in meinen Händen gespürt.
(53. Verhandlungstag, 8.6.1964)
Erläuterung:
Eine verbrecherische Methode des SS-Bewachungspersonals, Häftlinge während ihrer Tätigkeit auf den Arbeitskommandos willkürlich zu töten, war das sogenannte Mützewerfen. Ein SS-Mann nahm einem Häftling seine Mütze vom Kopf und warf sie weg. Die Mütze landete außerhalb einer Linie, die die Posten als Bewachungsgrenze betrachteten und die von den Häftlingen nicht überschritten werden durfte. Unter der Androhung, ihn bei Befehlsverweigerung auf der Stelle zu erschießen, zwang der SS-Mann den Häftling, seine Mütze zu holen. Da der Häftlinge gezwungen war, die Bewachungslinie zu überschreiten, wurde er „auf der Flucht“ erschossen. Das „Mützewerfen“ und die Erschießung von Häftlingen „auf der Flucht“ waren bei den SS-Posten beliebt, denn die vorgebliche Verhinderung einer Flucht wurde mit „Lebensmittel-Sonderrationen“ (Tabak, Schnaps) und Urlaubstagen durch die Lagerleitung honoriert.