Emil de Martini

Martini GS 086

Emil de Martini, 1902 in Johanngeorgenstadt/Sachsen geboren, wurde im Mai 1940 in Königshütte/Oberschlesien wegen seiner politischen Tätigkeit gegen das Nazi-Regime verhaftet. Nach kurzer Gefängnishaft wurde er Mitte Juli 1940 nach Auschwitz verbracht und als politischer Häftling Nummer 1.402 registriert. Nach schwerster Arbeit in verschiedenen Kommandos kam de Martini im Sommer 1942 als Häftlingsschreiber in den Krankenbau (Block 21 von Auschwitz I/Stammlager) und wurde dort wenig später Blockältester. Der Reichsdeutsche de Martini wurde im Februar 1943 aus dem Lager entlassen und zur Wehrmacht eingezogen.
Zur Zeit seiner Vernehmung im Juni 1964 war der Zeuge Emil de Martini 62 Jahre alt und lebte als freiberuflicher Journalist in Nürnberg.

Buchpublikation:

  • Emil de Martini: Vier Millionen Tote klagen an ...! Erlebnisse im Todeslager Auschwitz. München-Obermenzing: Hans von Weber Verlag, 1948, 78 S.

Hörbeispiel:

Die Regel war, wenn ein Kranker innerhalb 14 Tagen nicht wieder arbeitsfähig ist und ins Lager entlassen werden kann, war er sowieso ein Todeskandidat. Er galt als unnötiger Esser. Und es kam sehr selten vor, dass ein Kranker, vor allen Dingen schwer Fußkranker mit Phlegmonen und dergleichen Dingen behaftet, dass er in 14 Tagen gesund werden konnte. Im normalen Zivilleben hätte man all die Kranken wieder heilen können. Dort war es unmöglich, weil es waren auch keine Medikamente da. Es wurde alles nur in Papier hineingeschrieben, was der Häftling bekommen hat, wie sorgfältig er gepflegt wurde im Krankenbau und so weiter. Aber die Hauptapotheke, die SS-Hauptapotheke, gab ja nichts heraus. Wir bekamen nur Papierbinden und gegen Ruhr zum Beispiel Bolus alba, also weiße Tonerde beziehungsweise Kohle. Und dann noch für Wunden Lebertransalbe. Das war alles. Sonst gab es ja nichts.
(51. Verhandlungstag, 4.6.1964)

Erläuterung:

Kranke Häftlinge hatten in Auschwitz zwei Möglichkeiten: Aufnahme in den sogenannten Häftlingskrankenbau oder Verbleib im Lager. Blieb ein Häftling krank und geschwächt im Lager und auf seinem Arbeitskommando, lief er Gefahr, einer Block- oder Torselektion zum Opfer zu fallen. Ließ er sich in das Krankenbau aufnehmen, bestand das Risiko, nach einem Aufenthalt von zwei Wochen als „arbeitsunfähig“ selektiert zu werden. Obgleich viele Häftlingsärzte und -pfleger sich mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, um die Kranken bemühten, war eine Genesung meist nicht erreichbar. Wieder stand der kranke Häftling vor einer schweren Entscheidung: Entlassung aus dem Krankenbau ins Lager, obschon er nicht geheilt und somit noch nicht arbeitsfähig war. Oder: Selektion durch den SS-Arzt, die in den meisten Fällen dazu führte, dass der kranke Häftling zur Vergasung nach Birkenau überstellt wurde. Die SS-Apotheke und die verschiedenen Häftlingsapotheken in den Lagerabschnitten waren vollkommen unzureichend mit Medikamenten ausgestattet. Häufig kam es auch vor, dass vorrätige Medikamente nicht für die Behandlung der Häftlinge zur Verfügung gestellt wurden, obwohl die Krankenbauten entsprechende „Medikamentenanforderungen“ an die SS-Apotheke gestellt hatten. Manchmal gelang es Häftlingsärzten und Mitgliedern des Lagerwiderstands, Medikamente zu „organisieren“, das heißt illegal zu beschaffen.

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