Rudolf Vrba, 1924 inTopolcany/Tschechoslowakei als Walter Rosenberg geboren, wurde 1939 von der von den deutschen Besatzern eingesetzten slowakischen Regierung gezwungen, von seinem Wohnort Bratislava/Pressburg in die Kleinstadt Trnava umzuziehen. 1942 versuchte Vrba nach Ungarn zu fliehen, wurde verhaftet und in das Arbeitslager Nováky (Slowakei) verbracht. Von dort ist er im Juni 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek (bei Lublin/Polen) und nach einem zweiwöchigen Aufenthalt Ende Juni 1942 nach Auschwitz deportiert worden. In Auschwitz wurde Vrba, Häftling Nummer 44.070, unter anderem auf dem Werksgelände der I.G. Farbenindustrie AG eingesetzt. Im Herbst 1942 wurde er dem sogenannten Aufräumungskommando zugeteilt, das auf der „Alten Rampe“ am Güterbahnhof von Auschwitz das Gepäck der deportierten Juden auszuladen und in das Effektenlager zu bringen hatte. Auch Kranke und Tote hatten diese Häftlinge aus den Güterwagen zu holen und zu bereitstehenden Lastwagen zu bringen. Die Rampe musste nach der „Abwicklung“ eines Transports gesäubert und für den nächsten Transport vorbereitet werden. Bis Juni 1943 war Vrba beim Aufräumungskommando und wurde danach Schreiber im Quarantänelager BIIa. Zusammen mit seinem Kameraden Alfred Wetzler flüchtete Vrba am 7. April 1944 aus Birkenau. Die beiden Flüchtlinge gelangten in die Slowakei und berichteten dort Vertretern der jüdischen Gemeinden über die Verbrechen in Auschwitz. Ihre Schilderungen wurden zu einem Bericht zusammengefasst, der nach Ungarn, in die Schweiz und an den Vatikan weitergeleitet wurde. Ziel der Flüchtlinge war es, die Weltöffentlichkeit über die Verbrechen zu informieren und die Alliierten zu Maßnahmen gegen den Massenmord zu bewegen.
Zur Zeit seiner Vernehmung im November 1964 war der Zeuge Rudolf Vrba 40 Jahre alt und arbeitete als Biochemiker in Suttin/Großbritannien.
Buchpublikationen:
- Rudolf Vrba, Alan Bestic: I cannot forgive. Sidgwick & Jackson and Anthony Gibbs and Phillips, 1963 und New York: Bantam Books, 1964.
- Rudolf Vrba, Alan Bestic: Ich kann nicht vergeben. Aus dem Englischen von Werner von Grünau. München: Rütten & Loening Verlag, 1964, 318 S.
- Rudolf Vrba: Als Kanada in Auschwitz lag. Meine Flucht aus dem Vernichtungslager. Aus dem Englischen von Werner von Grünau. Mit einem Nachwort von Friedemann Bedürftig. München, Zürich: Piper Verlag, 1999, 326 S. (Serie Piper 2694)
Hörbeispiel:
Nämlich diese ganze Rampe, das war ja das Herz sozusagen von Auschwitz. Wenn das dort nicht klappte, klappte gar nichts. Man musste ja die Leute freiwillig in die Gaskammern hereinbringen und in Unwissenheit, mit List. Also deshalb haben sich die SS-Männer dort verschieden benommen. Gewöhnlich haben sie die Waggons aufgemacht und haben gesagt: „Meine Herren und Damen, bitte auszusteigen“ oder so etwas. In dem Moment, wo sie draußen waren, da haben sie gesagt: „Verboten zu sprechen. Sprechverbot, hier muss Ordnung sein.“ Die haben Angst gehabt, dass manche der Männer sehen konnten, dass da etwas nicht stimmt. Und jede Revolte natürlich, jeder Widerstand, da muss ja ein Verständnis [unter den angekommenen Menschen] sein. Und um ein Verständnis [herzustellen], da muss man ja sprechen. Und da war ein strenges Sprechverbot.
(117. Verhandlungstag, 30.11.1964)
Erläuterung:
Die Transporte mit Juden aus ganz Europa mussten durch die SS „reibungslos“ und schnell „abgewickelt“ werden. Die Deportierten sollten ahnungslos bleiben, sich widerstandslos entkleiden und in die Gaskammern begeben. Auch trafen oftmals mehrere Transporte am Tag ein. Die „Abwicklung nach Plan“ erfolgte durch vorgeblich korrekte Behandlung der zum „Arbeitseinsatz“ in Auschwitz eingetroffenen Juden und durch raffinierte Täuschung der Opfer. Den Häftlingen des Aufräumungskommandos war es strengstes verboten, mit den Ankömmlingen zu sprechen. Stellte die SS fest, dass ein Häftling gegen das Verbot verstoßen, gar die Menschen gewarnt hatte, wurde er abgeführt und erschossen.